Offener Brief an die Vorstände der Berliner Wohnungsgenossenschaften
Sehr geehrte Damen und Herren Vorstände,
am 1. Mai 2013 tritt das »Gesetz über die energetische Modernisierung von vermietetem Wohnraum und über die vereinfachte Durchsetzung von Räumungstiteln (Mietrechtsänderungsgesetz) « in Kraft. Das Gesetz bringt erhebliche Verschlechterungen für die Mieter mit sich. Das gilt auch für die Mitglieder und Mieter der Wohnungsgenossenschaften, denn die Nutzungsentgelte werden nach dem Mietrecht behandelt. Das Gesetz benachteiligt die Mieter einseitig, ohne dass erwiesen ist, dass die energetische Modernisierung nicht auch ohne diese Benachteiligung betrieben werden könnte.
Da die Wohnungsgenossenschaften unter den bisherigen mietrechtlichen Bedingungen einen hohen Grad der Modernisierung ihrer Wohnungsbestände erreichen konnten, ohne Verluste zu erleiden, sind wir der Meinung, dass die Genossenschaften diesen erfolgreichen Weg auch mit den bisher gültigen Bestimmungen fortsetzen können. Die Mitglieder der Wohnungsgenossenschaften haben gleiche Rechte und können Gleichbehandlung verlangen. Das ist jedoch nur gewährleistet, wenn diejenigen Mitglieder und Mieter, deren Wohngebäude entsprechend der Planung der Vorstände erst 2013 oder später modernisiert werden, die gleichen Rechte haben wie jene, die nach den alten Bestimmungen behandelt wurden.
Wir appellieren deshalb an Sie, die Vorstände der Berliner Wohnungsgenossenschaften, auf die Anwendung der neuen Bedingungen und auf die damit verbundenen zusätzlichen Einnahmen bzw. Einsparungen freiwillig zu verzichten.
1. Die Mitglieder und Mieter sollen wie bisher ein Einspruchsrecht gegen die angekündigten Maßnahmen und Mieterhöhungen haben. D.h. die Genossenschaft als Vermieterin soll weiterhin die Zustimmung der Mitglieder und Mieter einholen. Das setzt Beratungen mit den Mietern voraus, in denen in demokratischer Aussprache ein Konsens über die Modernisierungsmaßnahmen und über die Umlage der Kosten erzielt werden kann. Auch von der gesetzlichen Möglichkeit der freiwilligen Mieterhöhung nach § 557 BGB sollte in breiterem Maße Gebrauch gemacht werden (betr. §§ 555 c und d sowie 559 BGB neu).
2. Die Mitglieder und Mieter, die nach dem Inkrafttreten des Gesetzes von der energetischen Modernisierung und anderen Modernisierungsmaßnahmen betroffen sind, sollen wie bisher für drei Monate eine angemessene Mietminderung erhalten ( betr. § 536 BGB neu).
3. Härtefälle sollten in genossenschaftlicher Aussprache mit den Betroffenen vor Beginn der Modernisierung gelöst oder gemildert werden. Es darf kein Almosen sein, wenn wirtschaftliche Härtegründe erst nach dem Abschluß der Modernisierung besprochen und berücksichtigt werden. Das Mitglied soll stets als geachtetes Mitglied der Solidargemeinschaft behandelt werden (betr. §§ 555d und 559 BGB neu).
4. Ein wesentlicher Ausdruck der Mietpreistreiberei sind die zügellosen Mieterhöhungen bei Neuvermietung. Die Genossenschaften sollten sich daran nicht beteiligen. Insbesondere sollten sie darauf verzichten, das Nutzungsentgelt zu erhöhen, wenn Mitglieder aus gesundheitlichen oder sozialen Gründen oder, um der Belastung der Modernisierung zu entgehen, oder, um große Wohnungen für andere Familien frei zu machen, in eine kleinere oder besser zugängliche Wohnung umziehen.
5. Genossenschaften sollten nur im Ausnahmefall vom Recht auf Mieterhöhung innerhalb von drei Jahren Gebrauch machen (betr. § 558 BGB neu).
Darüber hinaus sollten die Genossenschaften entsprechend den Vorschlägen von Parteien und Mieterverbänden die Kosten der Modernisierung statt mit elf nur mit neun Prozent jährlich auf die Nutzungsentgelte umlegen. Nach der Abzahlung der Modernisierungskosten durch die Modernisierungsumlage sollten die Nutzungsentgelte wieder auf das ursprüngliche Niveau zurückgeführt werden (betr. § 559 BGB neu).
Wir wissen, dass die Konditionen der Modernisierung in den Wohnungsgenossenschaften unterschiedlich gehandhabt werden, indem zum Beispiel die Modernisierungskosten nicht in voller Höhe umgelegt werden. Nach unserer Auffassung sollten jedoch die Wohnungsgenossenschaften durchgängig entschlossene Schritte gehen, um dem beunruhigenden Anstieg der Wohnungsmieten in ihrem Bereich zu begegnen. Das könnte auch für kommunale Wohnungsunternehmen als Beispiel dienen. Wir würden auch Aussprachen mit den Mitgliedern und Mietern der Genossenschaften begrüßen. Wir bitten Sie, diesen Offenen Brief in der Mitgliederzeitschrift Ihrer Genossenschaft zu veröffentlichen.
Mit freundlichen Grüßen,
Initiative »Genossenschaft von unten«